#13 Aufwachen wird überbewertet

Lieber Horst,

Oh Mann. Heute ist einer dieser Tage. 
Es fing schon mit dem Aufwachen an, der Himmel war grau, von guter Laune keine Spur, sogar der Wecker stand auf 08/15. Aufwachen wird meiner Meinung nach total überbewertet. 
Ich ließ meinen müden Blick durch das Zimmer schweifen. Und das Zimmer guckte zurück. 

Das ist definitiv einer der Nachteile der Quarantäne-Zeiten: Man hat keine Ausreden mehr.
Die Wohnung sieht nicht mehr so aus, weil man nie Zeit hat. 
Die Wohnung sieht so aus. 
Und man würde noch viel mehr davon sehen, wenn durch die dreckigen Fenster mehr Licht käme. Ja, vielleicht ist es in Wirklichkeit gar nicht so schlimm und es liegt nur am Wetter und meiner krisengebeutelten Grundstimmung. Aber ich sag mal so – wäre das hier eine Ferienwohnung, ich würde sofort reklamieren.

Ich war um ehrlich zu sein noch nie so die Putzfee.  Cafés und  Restaurants habe ich deshalb auch schon immer übelgenommen, wenn sie so vermeintlich einladende Namen tragen wie Como en Casa.  Ich gehe schließlich nicht weg, um mich zu fühlen wie zu Hause, Hallo? 
Mein Sohn wollte ja neulich auch nicht in dieses Restaurant rein, weil auf der Tafel was von Omas Küche stand. (Jeder, der schon mal in der Küche meiner Schwiegermutter – aber das ist ein anderes Thema.)

Naja, über Restaurantbesuche muss man sich ja nun momentan keinen Kopf machen. 
Es wird zu Hause gegessen. Alle sind immer da. Und alle essen. Auch der Kühlschrank sieht aus. Wenn das noch lange so weitergeht mit den Ausgangsbeschränkungen, brauche ich einen Sandsack. Also – nicht nur wegen der Figur. Im Sportgeschäft hatte ich schon mal einen gesehen, da steht praktischerweise gleich ALEX, der Name des Herstellers, drauf. (Ich würde Alex allerdings einräumen, auf die andere Seite SUSANNE drauf zu schreiben. An Tagen wie heute bin ich nämlich unerträglich.)

Im Kühlschrank, ganz unten im Gemüsefach, habe ich vorhin einen Hefewürfel gefunden. Das neue Gold. Vielleicht backe ich heute noch ein Brot? 
Auch dieser Tag wird schon irgendwie rumgehen, und – um abschließend noch was Positives zu sagen: dank dieser elenden Zeitumstellung ist er ja wenigstens eine Stunde kürzer. 

Die Hefe geht. Johnny Walker kommt. 

Einen harmonischen Tag wünscht Dir

Susanne

PS: In Axel Hackes Geschichten hört ja sein Kühlschrank auf den Namen Bosch. In der Studenten-WG eines Freundes heißt der Kühlschrank jetzt Boschido.  Wie heißt Dein Kühlschrank, Horst?