Liebe Susanne,
Was der einen das Backen, ist dem anderen das ins Grüne gucken.
Eine sehr, sehr gute Freundin hat eine Art Schrebergarten im Norden Berlins. Dort konnten wir erfreulicher Weise die Ostertage verbringen. Wenn wir gemeinsam in diesem Schrebergarten sind, haben wir eine ziemlich genaue und gut funktionierende Aufteilung der Pflichten. Sie macht den Garten und ich das Schrebern.
Wenn Du mich jetzt fragst, was Schrebern ganz genau eigentlich ist, muss ich Dir leider sagen, daß ich nicht die geringste Ahnung habe. Und das beschreibt aber wiederum sehr gut, was ich da mache. Ich verbringe meine Tage dort, damit keine Ahnung zu haben. Das ist sehr erholsam. Gerade für jemanden, der ja normalerweise so viel weiß, wie ich.
Wusstest Du beispielsweise, daß ich weiß woher der Schrebergarten zu seinem Namen gekommen ist. Vom Leipziger Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber nämlich. So Sachen weiß mein Gedächtnis ohne zu googeln. Aber wie der Großteil der Pflanzen dort heisst, kann es sich nicht merken. Dennoch mache ich ihm keinen Vorwurf.
Ab und zu zieht mich die Frau aber doch ins Vertrauen. Also einzelne gartenspezifische Dinge betreffend. Es geht dann meist um irgendwelche Pflanzen, die aus irgendwelchen Gründen, irgendwelche Sachen machen oder nicht. Meistens nicht. Wachsen zum Beispiel. Oft wachsen sie nicht so, wie sie eigentlich wachsen müssten oder sollten, wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde. Was es aber selten tut. Weil irgendwelche Pflanzen dann eben doch wohl oft einen eigenen Kopf haben. Wo einem auch alles Wissen nichts nützt. Denn was die Pflanze weiß, weiß nur die Pflanze und die sagt ja nichts.
Deshalb wird dann also mit großer Empathie und Hingabe geforscht, was wohl dem Gewächs das Wachsen verleidet. Überlegungen werden angestellt, wie man es für die Pflanze angenehmer machen könnte. Das ist rührend mit anzusehen, bis die Frau schliesslich sagt: „Es tut mir so leid, aber ich glaube, die Pflanze fühlt sich hier einfach nicht richtig wohl.“ Gefolgt von einem ehrlichen Seufzen. Tiefster Traurigkeit. Die auch mich packt. Wo man sich natürlich wünscht diese Pflanze zu sein, die so viel Mitgefühl und Liebe bekommt.
Bis zu dem Punkt, wo die Frau plötzlich durchatmet, die Schultern zuckt und recht sachlich sagt: „Ja gut, dann mach ich sie eben weg.“ Und dann kannst Dun nicht gucken, wie schnell diese Pflanze weg ist. Zack, da geht sie hin.
Das beeindruckt mich schon und führt dazu, daß ich mich eben ganz aufs Schrebern beschränke. Nichts anderes mache, als keine Ahnung zu haben und mich so wohl zu fühlen, daß man das auch sieht. Eins mit den Pflanzen zu werden. Zu einer fein und genügsam blühenden Blume. Klingt einfach. Ist aber für jemanden wie mich auch richtig anspruchsvolle Gartenarbeit.
Von Blume zu Blume alles Gute wünscht
Horst