Liebe Susanne,
folgendes kleine Erlebnis von Gestern möchte ich Dir nicht vorenthalten.
Der Drogeriemarkt ist eine Stunde vor Ladenschluss dann doch ziemlich leergeräumt. Ein junges Paar betrachtet ratlos die leeren Toilettenpapierregale.
„Was machen wir denn jetzt?“, fragt sie.
„Weiß nicht,“ antwortet er. Kurze Zeit später sehe ich sie lange und nachdenklich vor den Servietten stehen. Es sind leider nur noch die Kindergeburtstagsmotive übrig. Da gab es bislang wohl doch noch irgendwie eine Hemmschwelle.
Alle sagen, man soll sich nicht übertrieben bevorraten. Das finde ich ja auch. Und die Familie erstrecht. Als ich kürzlich in unserer Küche meinen Rucksack auspackte und auch zu meiner eigenen Überraschung feststellen musste, daß ich offensichtlich sechs Packungen passierte Tomaten gekauft hatte, war die Familie entsetzt:
„Was machst Du denn? Sechs Packungen? Du hast sechs Packungen passierte Tomaten gekauft? Spinnst Du? Hat Dich jemand dabei gesehen?“
Ich versuchte sie zu beruhigen. „Nein, nein. Ich habe alle in unterschiedlichen Geschäften gekauft. Niemand wird Verdacht schöpfen.
-Na gut. Aber trotzdem. Was sollen wir denn mit den ganzen passierten Tomaten?
-Weiß nicht. Aber vielleicht können wir sie, wenn es richtig ernst wird, gegen Zigaretten tauschen.
-Warum? Keiner von uns raucht?
-Ja gut. Einerseits richtig. Aber andrerseits sollten wir uns auch von der Vorstellung verabschieden, alles planen zu können.“
Am Wochenende in Leipzig bin ich noch auf einen Zug gehastet. Ich hab ihn gerade so geschafft. Also eigentlich, denn als ich am Bahnhof ankam, musste ich feststellen, daß er ersatzlos gestrichen war. Habe deshalb einen Bahnmitarbeiter gefragt: „Oje, ist das wegen Corona?“
Er hat mich sehr freundlich und traurig angesehen, um dann emotionslos zu antworten.
„Nein, nein, das ist einfach ganz normal wegen Bahn.“
Was mich beruhigt hat. Man ist ja dieser Tage immer froh, wenns nicht Corona ist. Bei einem benachbarten Telefonierer habe ich gestern den Satzfetzen aufgeschnappt: „War aber dann doch Gott sei Dank nur eine Lungenentzündung…“ Aber vielleicht habe ich mich auch verhört. Hoffe ich mal. Wegen des Mindestabstands kriegt man die Gespräche der Anderen ja oft gar nicht mehr richtig gut mit. Auch so ein sozialer Verlust, der kaum thematisiert wird.
Doch wie dem auch sei, Susanne. Zum Schluss für Dich noch was Schönes. Nämlich meine Lieblings-Corona-Meldung bislang:
„Nur ein Prozent der Bevölkerung besitzt 90 Prozent des gesamten Klopapiers.“ Die Kräfteverhältnisse verschieben sich.
Bis bald,
Horst