Liebe Susanne,
wie schön, daß Du Dich an die Muttihölle von Malediva erinnerst. Dadurch schieben sich auch in mein Hirn gleich ganze Schubkarrenladungen voll bester Nostalgie. Ein schöner Haufen, in dem ich jetzt einige Zeit lang wühlen konnte.
Irgendwann im Jahre neunzehnhundertweißnichmehr war ich bei Malediva in ihrer LateNight-Show in der Bar jeder Vernunft zu Gast. Lo und Tetta haben damals jeden Künstler mit einem Gedicht angekündigt. Meines endete mit den Zeilen:
„…doch will der Horst nen Abend, nen bunten,
geht er zu den singenden Tunten.“
Dieser Reim hat sich tief in mein Unterbewusstsein gefressen. Sobald heute jemand nur von einem bunten Abend spricht, kriege ich eine halbe Stunde lang nichts mehr mit. Denn in meinem Kopf singen und tanzen nun die bunten Tunten meiner Vergangenheit.
Dabei war ich bei diesen Abenden ein völliger Exot. Meine Geschichten haben das Publikum dort eher ratlos bis verstört zurückgelassen. Dennoch waren alle sehr, sehr freundlich zu mir. Ein bisschen in die Richtung von: „Naja, sowas muss es ja auch geben. Warum nicht auch mal jemanden, der in Alltagsklamotten, mit einer Alltagsstimme, Alltagsgeschichten vorliest, auf die Bühne lassen. Die Welt ist bunt.“
Ich war so eine Art personifizierter, künstlerischer Lastenausgleich.
Sowas soll ja jetzt eventuell wieder kommen. Ein Lastenausgleich, wie nach dem zweiten Weltkrieg, um die Kosten der Krise gerechter auf die Gesamtbevölkerung zu verteilen.
Damals war ich die Gesamtbevölkerung, auf die die Bühnenzeit gerechter verteilt wurde.
Wobei diese Metapher weder gut noch angemessen ist, aber wenn das jetzt auch noch eine Kategorie ist, kann man ja irgendwann gar nichts mehr schreiben.
Meine Tochter war vor einigen Jahren beim Frühstück mal sehr genervt von meinem damaligen Lustigkeitsanfall. Irgendwann hat sie daher gefragt, was eigentlich mein Rekord im ohne Unterbrechung nicht witzig sein wäre?
Damals wusste ich keine Antwort. Wenn ich heute so drüber nachdenke, dürfte es wohl einer dieser Auftritte aus den Neunzigern gewesen sein.
Was würde ich darum geben, wenn ich heute Abend in einer tuntenlastigen Mixed-Show mit meinen Texten nochmal so richtig abschmieren könnte. Es war eine großartige Zeit.
Das muss man dem aktuellen Verbot schon lassen. Mit jedem Tag, wo mir weitere Auftritte untersagt sind, werden meine Erinnerungen noch leuchtender und schöner. Nicht schlecht, Herr Specht. Womöglich befinde ich mich ja gerade doch in einer win-win-Situation.
Bunte Grüße
Horst