Liebe Susanne,
danke der Nachfrage. Hier ist alles prächtig. Also mal so vom Eingelegten her.
Weißt Du übrigens, daß ich einige Zeit meines Lebens damit verbracht habe, mir alte Berliner Redewendungen auszudenken?
Sowas wie: „Jetzt steht der mir hier wieder die Ecken voll!“ „Der guckt mir noch die Brille schmutzig“ oder „Das brutzelt Dir das Obst weg!“
Apropos Obst. Hast Du die Pressekonferenz der österreichischen Regierung gesehen? Alle mit Mundschutz. Irgendwie hat mich das auch an die früheren Videos der RAF-Terroristen erinnert. Ach die RAF. Da wird sich der Staat in ruhigen Momenten jetzt womöglich auch ab und an denken: Das waren noch Zeiten, als die mein größtes Problem waren.
Apropos Zeiten: Die Kinder haben gestern mit einem Programm gespielt, welches Menschen jünger machen kann. Also nicht in echt. So erfolgreich war das home-schooling nun auch nicht. Nur am Computer. Man macht ein Foto von sich und dann kann das Programm Dir mal eben so zwanzig, dreissig Jahre aus dem Gesicht rausmorphen. Das ist schon interessant. Aber auch erschreckend. Denn als mein dreißigjähriges Erscheinungsbild errechnet war, musste ich feststellen: So habe ich nie ausgesehen. Mit 40 war ich mir noch ähnlich gewesen, mit 20 auch wieder. Doch den dreißigjährigen Horst hatte ich noch nie gesehen.
Die Kinder meinen, ein Irrtum des Programms sei quasi ausgeschlossen. Somit muss ich davon ausgehen, daß das Leben mir meine dreißiger Jahre vorenthalten hat. Also zumindest mal vom Gesicht her. Da bin ich offensichtlich ein Frühentwickler. Also hatte schon mit Mitte zwanzig das Niveau eines Vierzigjährigen erreicht. Im Gesicht. Das erklärt im Rückblick nun doch so einiges.
Noch irritierender wurde es allerdings, als wir später auch noch rumgespielt haben. Also andere Dinge, wie zum Beispiel Obst fotografiert und dann verjüngt haben. Denn ein etwas alter, schon eher runzliger Apfel hat tatsächlich, nachdem wir ihn rund fünfzig Jahre verjüngt hatten, ziemlich genau so ausgesehen, wie ich heute. Da war aber ein Hallo in der Familie und mir fiel auch nichts weiter mehr ein als die alte Berliner Redewendung:
„Da guckt einen doch der Trottel aussem Spiegel an.“
Immer eine handbreit Mampe im Glas wünscht Dir
Horst
P.S.: Anbei das Bild von mir als Hundertdreijähriger. Ich finde, hätte schlimmer kommen können.