#65 Fenster machen wir gar nicht

Lieber Horst,

Großartig! Solche kleinen Begebenheiten wie Deine gestrige Begegnung mit dem Ableser tragen mich ja immer mit einem kleinen Lächeln durch den Rest des Tages, geht es Dir auch so? Dann laufe ich manchmal durch die Straßen und denke: ach guck, die anderen Leute haben heute auch alle gute Laune, dabei liegt es wahrscheinlich nur daran, dass ich selber mit diesem Lächeln unterwegs bin. Die lächeln einfach zurück. Auch etwas, das mir fehlt, mit Mundschutz sehen die meisten eben doch latent übellaunig aus.

Stell Dir vor – vor einiger Zeit, als wir noch keine Masken trugen, bin ich auch schon mal erkannt worden! Also gewissermaßen.
An der Bushaltestelle vor dem Wilmersdorfer Krankenhaus, in dem ich damals arbeitete, kam eine mir völlig unbekannte Frau schnurstracks auf mich zu und sagte „Frau Riedel! Wie schön!“ Signiert habe ich nichts, sie bat mich dann noch, Ihr beim Entziffern des Fahrplans zu helfen, und wir plauderten ein bißchen. Sehr nett. Das war auch so ein Tag: überall aufmerksame Menschen, ein Lächeln hier, ein Plaudern da.
Erst als ich zu Hause angekommen war und am Spiegel vorbeikam, bemerkte ich, dass ich mein Namensschild noch am Revers trug. 
„Sozialdienst – Frau Riedel“. 

Wenn mich jemand fragt, ob ich in meinem Leben mal was Mutiges gemacht habe, kann ich immerhin sagen: Ich bin mit einem Schild, auf dem „Sozialdienst – Frau Riedel“ stand, in die U7 eingestiegen. Zumindest in Sozialarbeiterkreisen ernte ich dafür schon mal ein anerkennendes Raunen. 

Ich habe nach Deinem Brief gestern mal mein Gedächtnis durchforstet nach ähnlich netten Begegnungen mit Ablesern oder Handwerkern. 
Sieht man mal von den optischen Herausforderungen manches Klempnerdekolletés ab, die ich hier jetzt nicht weiter vertiefen will, waren da viele wirklich nette Momente dabei. (Wenn man über Dinge redet, die man um keinen Preis vertiefen will, ist das Klempnerdekolleté ja per se ganz weit vorn.)

Am einprägsamsten allerdings war wie leider allzu oft ein negativer Ausreißer in der Serie. Ein Fliesenleger, der mal im Auftrag des Vermieters unser Bad neu gemacht hat. Er hatte die alten Fliesen nicht abgeschlagen, sondern die neuen einfach darüber geklebt. Das sah soweit ok aus, deshalb hatte ich es auch erstmal so abgenickt, als er fertig war. 
Kurz darauf musste ich allerdings feststellen, dass man nun leider das Fenster nicht mehr aufkriegte, da die Fliesen so weit von der Wand abstanden. Ich rief sofort den Handwerker an, der sich dreist für nicht zuständig erklärte und mit dem unvergessenen Satz antwortete:
„Ich bin Fliesenleger, gute Frau. Fenster machen wir gar nicht.“

An dem Mann konnte ich in den folgenden Tagen viel ruhiges Atmen und klare Kommunikation üben, so hat doch am Ende wieder alles auch sein Positives. So konnte ich die Sache mit den Dachdeckern dann auch deutlich abkürzen, die ihre leeren Bierflaschen und Essensreste unter den Dachziegeln entsorgt hatten und als ich sie erwischte meinten, das sei alles Absicht. „Wegen der Isolierung.“ 
Zu dem Zeitpunkt hatte ich das mit der klaren Kommunikation schon so gut drauf, dass ich gar kein Wort mehr sagen musste. Gucken reichte. 

Wenn Du mal Ärger hast und jemanden brauchst, der guckt, Horst – jederzeit!

Sonnige Grüße von

Susanne

#66 Warn Se da schon selba dran?

Liebe Susanne,

Handwerkergeschichten sind vielleicht ein sehr passendes Thema für den Vatertag.

Nun denn. Meine Familie ist gewiss nicht sehr furchtsam. Aber mit einer Sache kann ich sie verlässlich in Panik versetzen. Wenn ich ankündige, irgendetwas in der Wohnung selbst reparieren zu wollen. Dann haben plötzlich alle irgendwelche Termine außerhalb. Die im Idealfall rund eine Woche dauern. Denn solange braucht es in der Regel, bis ich häufig und ausdauernd genug gescheitert bin und einen Fachmann bestellt habe.

 Über die Zeit zwischen meinem ersten Versuch und den Anruf beim Handwerksbetrieb möchte ich nicht reden. Ich rede ja auch nicht darüber, wie ich mal meinen Studienschwerpunkt gewechselt habe, weil ich in der ersten Semesterwoche zwei Seminarräume verwechselt habe. Erst nach vier Wochen habe ich gemerkt, daß ich im falschen Kurs sitze, was ich aber weder vor mir, noch vor anderen zugeben wollte, weshalb ich dann eben meinen Studienschwerpunkt gewechselt habe. Solche Geschichten interessieren keinen und deshalb erzähle ich sie auch nicht.

Mittlerweile reicht es meistens, der Familie nur damit zu drohen, ich würde etwas selbst reparieren. Dann bestellen sie meistens hektisch jemanden, schaffen es aber doch, daß ich den später empfangen muss. 

Meine Tochter hat mir hierzu vor zwei Weihnachten ein T-Shirt geschenkt, auf welchem steht: „Alles muss man selber machen…  lassen.“

Dennoch habe ich im Laufe der Jahre viel über den Umgang mit Handwerkern gelernt. Die drei wichtigsten Regeln sind meines Erachtens:

1. Tue nie so, als ob Du Ahnung hättest. Du hast nämlich keine Ahnung. Du hast sogar so wenig Ahnung, daß Du nichtmal weißt, wie wenig keine Ahnung du hast. Solltest Du das nicht von selbst einsehen, wird der Handwerker es Dir erklären. Fordere ihn niemals heraus. Du verlierst in 11 von 10 Fällen.

2. Lobe nie vor ihm andere Handwerker. Er ist Dein Handwerker. Du sollst keine anderen Handwerker neben ihm haben. Zumindest keine besseren. Auch keine gleich guten. Das es überhaupt andere Handwerker gibt, ist schon schlimm genug.

3. Die aller-, allerwichtigste Regel: Wenn er fragt: „War’n Sie da schon selba dran?“, ist deine Antwort immer: „nein“. Und nur nein. Selbst wenn es noch so offensichtlich ist, daß Du lügst. Bleibe Deiner Lüge treu. Denn wenn Du einmal zugibst, irgendwo schon dran gewesen zu sein, bist Du für immer schuld. An jedem weiteren Problem. Alles wird damit angefangen haben, daß Du da schon dran warst.

In der Wohnung auf dem Wedding hat die Hausverwaltung mal jemanden geschickt, um den Wasserboiler im Bad zu reparieren. Er hat dann den Heizkörper in der Küche repariert. 

Mit der wortwörtlichen Begründung: Er hätte nicht die richtigen Teile für den Wasserboiler gehabt. Also habe er dann eben den Heizkörper repariert. Den Heizkörper, mit dem es überhaupt kein Problem gab.

 Ich habe das reklamiert und hätte damit auch fast beim Handwerksbetrieb Erfolg gehabt. Bis ich in einem Nebensatz zugegeben habe, selbstständig die Wasserzufuhr zum defekten Boiler abgedreht zu haben. Ab dem Moment hatte ich keine Chance mehr. Ich war schliesslich sogar Schuld daran, daß der Handwerker nicht die richtigen Teile für den Wasserboiler dabei hatte. 

Und das erstaunlichste: Ich habe meine Schuld eingesehen. Da ich endlich begriffen hatte, daß ich keine Ahnung hatte, was man alleine daran erkannte, daß ich den früheren Klempner lobte, obwohl der doch mit der ursprünglichen Installation des Boilers, fünf Jahre vorher, das ganze Elend in Gang getreten hatte.

Dennoch war es eine wertvolle Erfahrung. Das sind eben Dinge, die lernste auf keiner Schule.

Gut Schraube wünscht Dir

Horst