#71 Gedanken beim Spargelschälen

Lieber Horst,

Auch ich bin mir relativ sicher, dass ich keine unehelichen Kinder habe, von denen ich nichts weiß. Ich glaube, das hätte ich mitbekommen.

Mir taten ja die Frauen so leid, die in der ersten Phase der Corona-Krise ganz ohne Beistand entbinden mussten. Auch die Männer taten mir leid, die sich all die Monate vorbereitet hatten und dann nicht mal als Begleitperson mit in den Kreißsaal durften. Das ist schon bitter.
„Grausam“, befand auch ein Freund von mir, der als Gynäkologe im Krankenhaus arbeitet.  „Ehrlich gesagt…“, hatte er etwas nachdenklich hinzugefügt, „war das aber auch ein sehr entspanntes Arbeiten, weil sich nicht ständig jemand um all die präkollaptischen Männer kümmern musste.“
Über den Klinikalltag in der Geburtshilfe könnte man vermutlich auch mal ein Buch schreiben. Ich weiß noch, dass die Frau vor mir zu Marschmusik entbunden hat.
Egal.

Beim Thema „uneheliches Kind“ fiel mir ein kleines Gespräch wieder ein, das sich zur Kinderladenzeit meines Sohnes zugetragen hat.  Er hatte damals im Sandkasten einem anderen Kind sehr stolz erklärt, er sei „ein Kind der Liebe“. Diesen doch recht antiquierten Ausdruck hatte er irgendwo aufgeschnappt und prompt behalten, vermutlich war wieder eine meiner unzähligen Tanten zu Besuch gewesen.

Das andere Kind ging daraufhin zu seinem Papa, der in seine Zeitung vertieft auf einer Bank saß, und fragte ihn „Papa, bin ich auch ein Kind der Liebe?“. „Nein!“ sagte der, „Quatsch!“
Dann las er weiter. Bis heute bin ich nicht sicher, wie er die Frage interpretiert hat. Aber dem Tonfall nach hatte er, fürchte ich, in jeder Hinsicht recht…

Ach ja, Planet Kinderladen.
„Mama, Dominique kriegt immer was anderes zu essen.“
„Ist Dominique vielleicht Vegetarier?“
„Nein, er spricht deutsch.“

Als das erste Mal Spargel auf seinem Teller lag, fragte er mit angstgeweiteten Augen „Hat… das … Gräten?“

Das fällt mir gerade ein, denn heute gibt es bei uns Spargel zum Abendessen, den gehe ich jetzt mal schälen. Dabei denke ich ja immer ein bißchen an Weihnachten. Und ich schätze, es gibt nicht viele Menschen, die beim Spargelschälen an Weihnachten denken. Immer, wenn ich früher zur Weihnachtszeit gestresst und hektisch von all den Vorbereitungen durchs Büro lief und rief „O Gott, in einer Woche ist schon Heiligabend!“, sagte meine Kollegin Pia nur gelassen „Und in fünf Monaten gibt´s wieder Spargel.“
Das hat mich immer unheimlich beruhigt.

Mit warmem Herzen und kühlem Riesling grüßt Dich

Susanne