Lieber Horst,
Draußen nur Eimer gefällt mir. Es muss ja auch nicht immer Sangria sein, so einen Eimer Gin Tonic könnte ich mir auch gut vorstellen. Und draußen ist sowieso gut. Alles, was draußen ist, ist gerade gut, Draußen ist mein Freund. Ich habe lange nicht so intensiv den Wunsch verspürt, draußen zu sein, wie jetzt in der Zeit der Ausgangsbeschränkungen.
In den Neunzigern gab es in Mitte übrigens mal einen Underground-Club namens Eimer, da konnte man dann getrost sagen „Ich bin im Eimer“ und hatte damit meist in jeder Hinsicht recht. Aber das nur am Rande.
Trägst Du eigentlich schon Mundschutz, Horst? Oder nähst Du noch?
Gestern habe ich für meinen täglichen Spaziergang so einen OP-Kittel-grünen Standardlappen hervorgekramt, den ich vor Jahren mal in meiner Hausapotheke archiviert hatte. Ich dachte, ich zeige mal Engagement und lege ein wenig Compliance an den Tag. Aber hast Du Dich mal umgeguckt? Mit so einem schlichten Modell kann man sich ja kaum noch aus dem Haus trauen. Blümchenmuster, bunte Bändchen, feinste Stoffe, bei vielen Leuten ist da inzwischen richtig was los im Gesicht! Und viele nähen ja jetzt auch selbst. Davon verstehe ich leider überhaupt nichts. Häkeln könnte ich. Aber ein gehäkelter Mundschutz wird´s in puncto fiese Viren wohl nicht bringen, der würde mich maximal vor dem Einatmen von Maikäfern beschützen.
Ein recht unterhaltsamer Aspekt des Mundschutzes ist ja, dass der Mann jetzt nicht mehr von seinem I-Phone erkannt wird. Er ist ein bißchen gekränkt.
In der Zeitung habe ich über eine Designerin gelesen, die diese Lücke schließen will: man kann ihr ein eingescanntes Portrait schicken, sie druckt dann den entsprechenden Bereich des Gesichts auf den Mundschutz drauf, damit die Gesichtserkennung keine Schwierigkeiten bereitet. Hammer. Krisen setzen ja immer eine gewisse Kreativität frei bei den Menschen. Ich bin nur manchmal erstaunt, an welchen Stellen.
Das I-Phone des Mannes ist sowieso so ein Thema. Dieses erotische Gesäusel von Siri macht mich nochmal ganz verrückt. Selbst wenn es nur um Abfahrzeiten oder Kochrezepte geht, ich habe irgendwie immer ein bißchen das Gefühl, ich würde stören, wenn die zwei sich unterhalten. Er provoziert mich damit auch gerne mal, indem er im Vorbeigehen so Sätze raunt wie „Siri, kommst Du mit mir in die Badewanne?“ und Siri haucht dann wirklich zurück „Das ist alleine Deine Entscheidung, Alexander…“ Irgendwann werde ich sagen „Komm, Siri, lass uns vor die Tür gehen und das regeln wie Frauen“, und dann bin ich mal gespannt, wer das letzte Wort hat.
Ich hätte überhaupt große Lust, mal eine eigene Sprachassistentin zu programmieren. So eine renitente, mit ein bißchen Berliner Schnauze. Ich würde sie vielleicht Hilde nennen, nach meiner alten Tante. Dann fragt der geneigte I Phone-Mann vielleicht „Hilde, suche Rezepte für Sellerieauflauf“ und Hilde antwortet „Such doch selber, du fauler Sack“. Oder „Hilde, wann fährt der nächste Bus zum Rathaus Steglitz?“ „Die fahrn doch eh wie se wollen, und n bißchen loofen würde dir ooch nich schaden“. Und bei „Hilde, kommst Du mit mir in die Badewanne?“ würde ein energisches „ABA SONZ JEHT`S JUT, JA?“ reichen.
Oooh ja, ich glaube, das würde mir wirklich Spaß machen.
Und Du so, Hotte? Allet frisch oder drehste ooch langsam am Rad?
Tschüssikowski,
Susanne & Hilde