Lieber Horst,
Das klingt für Dich jetzt vielleicht etwas unwahrscheinlich – aber möglicherweise ist da unser Hauswart mit Dir im Zug gefahren.
Ich hoffe, er ist nicht so lange weg, denn ohne ihn weiß hier niemand in der Straße, wie man es richtig macht. Also, egal was. Wie man eine Maske trägt, wie man sich vor der Apotheke richtig anstellt (gerade), wie man ein Fahrrad anschließt (gar nicht). Auch wenn Du nicht weißt, wie Du einen Eierkarton ordnungsgemäß entsorgst (in maximal briefmarkengroßen Stückchen nämlich) – das macht nichts, er trägt ihn direkt aus dem Müll zur Dir zurück in den 4. Stock. Und erklärt es Dir.
Um genau zu sein, ist er gar nicht unser Hauswart. Er wohnt nur im Haus schräg gegenüber, er ist der selbsternannte Hüter der Ordnung der Straße. Wir hatten mal kurz überlegt, ihm eine Schiebermütze mit der Aufschrift Blockwart zu schenken, haben es dann aber doch gelassen, weil zu befürchten steht, dass er sich freuen würde.
Morgen werde ich persönlich auch einen Beitrag leisten, dass es in unserer Straße wieder ordentlicher aussieht. Ja, Horst, ich kann die Gerüchte bestätigen, es ist so weit:
Ich habe einen Friseurtermin.
Ich war so lange nicht beim Friseur, ich weiß gar nicht mehr wie das geht. Ich hoffe, meinem Friseur geht es da anders.
Ich freue mich auf Günther, wir haben uns immer viel zu erzählen.
Früher war ich ja eine Zeitlang immer bei einem Friseursalon in der Fidicinstraße, sehr hip. So hip, Du hättest nach einem doppelt geschäumten laktosefreien Bio-Milchmalzkaffee und einem Glas Vollmondwasser fragen können, sie hätten nicht mal mit der Wimper gezuckt.
Als mir das irgendwann zu teuer wurde und ich auf Empfehlung einer Freundin bei Günther an der Kaisereiche anlandete, führte dieser mich auch gleich an seine Auffassung vom Servicegedanken heran: „Kaffe kannze nebenan trinken, hier is Haare schneiden“.
Ich hatte ihn von Stund an ins Herz geschlossen.
Ich bin gespannt, was er zu erzählen hat in diesen, naja, haarigen Zeiten halt.
Sicher war er wieder auf Tour, Günther ist nämlich begeisterter Motorradfahrer.
In Erinnerung an seine erste Maschine enthält seine private E-Mail-Adresse das Wort „Triumph“, weshalb er sehr viel unerwünschte Werbung für Unterwäsche bekommt.
Gibt es eigentlich schon Neues aus der Kategorie bekloppte Friseurnamen? Was kann nach Hair Cooles und Fön-X noch kommen? Vielleicht Locke down?
Bericht folgt…
Lili sagt übrigens, es ist an der Zeit, dass alle wieder normal arbeiten gehen, der Hund kann nicht mehr.
Das lasse ich jetzt mal so stehen.
Fröhlich zerzaust grüßt Dich
Susanne
PS: Nachtrag – gestern hat eine Möwe auf unsern Balkon geschissen, das war fast ein bißchen wie Ostseeurlaub. Siehst Du, Optimismus kann man trainieren wie einen Muskel (*hysterisches Kichern*)