Liebe Susanne,
daß die Ostereinkäufe mal als nationale Bewährungsprobe gelten würden, gehört zu den vielen Dingen dieser Zeit, die ich mir nie hätte vorstellen können.
Wir kaufen ja schon länger gemäß der Corona-Regeln ein. Lieber ein großer Einkauf, als viele kleine. Haushaltsübliche Mengen. Nur ein Einkäufer pro Markt. Konkret heisst dies bei uns: Wir mieten uns ein Auto, fahren zu viert zu einem zentralen Parkplatz und gehen dann zeitgleich in Supermarkt, Getränkehandel, Bioladen und Discounter. Jeder in ein Geschäft. Mit durchgehender Konferenzschaltung, damit nichts vergessen oder mehrfach erworben wird. Das Ganze fühlt sich an, wie eine koordinierte Geheimagentenmission, was mir natürlich ausgezeichnet gefällt.
Irgendwie hat es sich ergeben, daß die anfänglich zufällige Verteilung der Geschäfte beibehalten wurde. Dies bedeutet, daß ich immer in den Discounter gehe, die Tochter hingegen jedesmal in den Biomarkt. Da wir ja aber sonst praktisch keine sozialen Kontakte außerhalb der Wohnung mehr haben, lebt sie also in einer Bioladen-Welt und ich in einem Discounter-Universum.
Manchmal habe ich das Gefühl, sie hält sich dadurch mittlerweile insgeheim für etwas Besseres. Dies wird noch verstärkt, da im Bio-Markt vor allem Obst und Gemüse eingekauft werden. Die ganzen Quarantäne-Süßigkeiten hingegen vornehmlich von mir beim Discounter eingesackt.
Sie steht für gesunde Vitamine. Ich bin der Kalorienbomber. Das schlägt sich längst auch aufs Erscheinungsbild nieder. Während sie auch in der Krise auf ihr Äußeres achtet, habe ich irgendwann aufgehört, mich zum Einkaufen umzuziehen. Eigentlich habe ich sogar ganz aufgehört, mich umzuziehen. Stattdessen werde ich jetzt oft auch für die Süßigkeiten, die andere essen, verantwortlich gemacht. Da ich sie ja in die Wohnung gebracht habe. Ich bin der schlechte Einfluss. Der gefallene Freund. The „failed mate“…
Nachdem ich der Familie von meinem Leid, also meinem gefühlten sozialen Absturz berichtet hatte, durfte ich gestern für die Ostereinkäufe in den Bioladen. Das war toll.
Ich habe mich trotzdem nicht umgezogen und dann da vor allem Süßigkeiten gekauft. Hat niemanden gestört. Die Tochter hingegen war im Discounter und hat dort das Biogemüse und -obst erstanden. Geht doch.
Einen schönen Karfreitag (Jeder nur ein Kreuz!)
wünscht Dir
Horst