#30 Ferien am Lecko Mio

Liebe Susanne,

na da habe ich jetzt doch eine Weile überlegt, was es bei Euch zum Essen gegeben haben könnte. Ich tippe mal, die Zipfelmützen sind Orecchiette-Nudeln, das Gehirngemüse Blumenkohl und die Wüstenmöhren Pommes. Was dann allerdings ein sehr seltsames Menü wäre. Daher sind die Zipfelmützen wohl doch eher irgendwelche Bratlinge in Mützenform oder tatsächlich panierte Zipfelmützen, was sicher auch lecker sein kann, wenn man richtig Hunger hat.

Im Rahmen der vielen, sich oft heftig widersprechenden Coronaprophezeiungen dieser Tage hat übrigens gerade jemand im Radio geunkt, es könnte auch sein, daß dieses Jahr die Sommerferien ausfallen. Das erinnert mich jetzt doch irgendwie an meinen Onkel, der auch ständig seiner Familie mit Urlaubsentzug gedroht hat. „Wenn das hier so weitergeht, machen wir dieses Jahr Ferien am Lecko Mio!“, war sein Lieblingsspruch. Seine Tochter hat daher tatsächlich lange gedacht, der Lecko Mio wäre ein See in Italien, wo es ganz doof ist. Ich halte das nach wie vor für nicht ausgeschlossen.

Ich selbst komme ja gebürtig aus einer Urlaubsregion. Dem Dümmer-See. Allerdings muss ich zugeben, daß wir die Urlauber, die zum urlauben zu uns gekommen sind, immer etwas skeptisch betrachtet haben. Also insgeheim haben wir gedacht: „Wie verzweifelt muss jemand sein, der seinen Sommer freiwillig bei uns verbringt. Da sogar noch Geld für bezahlt. Solchen Leuten sollte man doch wohl eher mit Vorsicht begegnen.“

Einem Campingplatzbesitzer am See ist in einer Gemeinderatssitzung sogar mal der später viel zitierte Satz rausgerutscht: „Unser Zielpublikum hier sind ja die Leute, die kein Geld für richtige Ferien haben. Oder denen das zu weit ist.“ Vor allem dieser zweite Satz, der wohl gemeint war, wie „denen richtige Ferien zu weit sind“ begeistert mich bis heute. Mir ist ja auch manchmal der Weg zum richtigen Sitzen zu weit, weshalb ich nach dem Heimkommen zeitweise sehr lange auf der Fußbank im Flur hocke.

Beobachtet man nun allerdings, wie die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern gerade ihren Berliner Urlaubern begegnen, hat man das Gefühl, die haben an sich auch keine allzu hohe Meinung von ihren Gästen.

Doch das ist ja sicherlich nur so eine Momentaufnahme. Wie so vieles gerade. Denn auch einige Leute, von denen ich immer dachte, sie wären Idioten, die ich aber dann kurzzeitig doch nicht mehr für Idioten gehalten habe, halte ich mittlerweile wieder für Idioten. 

Und das stimmt mich zuversichtlich, daß wir auf dem Weg zurück zur Normalität sind. Also ganz, ganz langsam natürlich. Noch hocken wir auf der Fußbank im Flur. Aber demnächst…was weiß denn ich.

Guten Appetit wünscht Dir

Horst

Eine Antwort auf „#30 Ferien am Lecko Mio“

  1. Lieber Horst,
    ich habe vom Zelten immer in Erinnerung behalten, dass Camping der Zustand ist, in dem der Mensch seine eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet. Vielleicht kann man das Wohnen in Corona-Zeiten, das ihr beide hier so herrlich beschreibt, später auch einmal so bewerten.
    Ich bin froh, wenn ich nach der Arbeit in meinem systemrelevanten Beruf als Pädagoge es auch nach Hause in den vierten Stock bis in den Flur schaffe…
    Beste Grüße aus Stockholm
    Lars

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