#64 Ableser und Vorleser

Liebe Susanne,

ich hatte gestern tatsächlich auch einen Termin. Sogar einen, für den ich um 6.00 Uhr aus dem Haus musste.

Was übrigens eine Art Termin ist, mit denen ich manchmal vor mir selber angebe. Da ich weiß, wie mich das beeindruckt, wenn ich mir von solchen Terminen erzähle. 

Der Ableser hatte sich angekündigt. Aber nicht für die Wohnung, sondern für den Schrebergarten, von dem ich an Ostern schon einmal erzählt habe. 

Da dieser Garten im äußeren Außenbezirk liegt, der Ableser sein Kommen jedoch in bewährter Sorglosigkeit zwischen 8.00 und 13.00 Uhr schätzte, musste ich also um sechse los. 

Nicht weil ich zwei Stunden für den Weg bräuchte, sondern weil ich, wenn ich spätestens um sieben zu gehen habe, absichtlich denke, daß ich um sechse los muss, damit ich es dann auch um sieben schaffe.

Ich war pünktlich. Der Ableser auch, was bei einer fünf-Stunden-Spanne nun aber auch nicht so die Leistung ist. Ich sag mal: So kann ich auch pünktlich sein. Vielleicht kann ich von ihm lernen.

„Ich komme dann Mittwoch zwischen 10.00 und 15.00 Uhr zum Mund öffnen vorbei. Bitten stellen Sie sicher, daß ich während dieser Zeit freien Zugang zu Ihrer Praxis habe und ein Zahnarzt zugegen ist.“

Ob ich bei meiner Zahnarztgemeinschaftspraxis auch einfach mal so einen Zettel einwerfen sollte? Oder besser noch beim Hautarzt. Da kriegt man sonst so schlecht einen Termin.

Nun fragt sich womöglich mancher, warum ich die Wasseruhr nicht einfach selber abgelesen habe. Gute Frage. Diese Wasseruhr jedoch ist in einem Gulli, am Ende eines Schachts. Der Gulli befindet sich leider im Schrebergarten der Freundin und da es in meinem Falle ja egal ist, wo ich das, was ich tagsüber zu machen habe, nicht mache, wurde ich beauftragt dem Ableser das Tor aufzusperren.

Irritierender weise kannte mich der Ableser als Vorleser.

 Er hat sich darüber total gefreut und meinte: „Lustig, da leben wir ja beide praktisch vom Ablesen.“

 Dann hat er gefragt, ob er ein Autogramm haben kann, weil ihm seine Frau das sonst nicht glaubt. Ich habe gesagt: „Klar, wenn Sie mir dafür die Wasseruhr signieren,“ was er dann auch gemacht hat.

Er fürchtete aber, daß ihm seine Frau auch das nicht glauben würde, weshalb ich ihm versprach, dies in der Blog zu schreiben, damit sie es dort nachlesen kann.

Nur falls sich jemand fragt, warum ich eigentlich diese ganze Geschichte hier erzähle. Weil die Frau es sonst nicht glaubt. Eine bessere Begründung hatte ich, glaube ich, noch nie für einen Text.

Vor- und ablesende Grüße

Horst