#47 Im Schatten des Basilikum

Lieber Horst, 

Beim Stichwort 31. April ist mir plötzlich ein ganzes Päckchen Erinnerungen aus dem Gedächtnis gepurzelt…

Die frühen Neunziger, ich wohnte damals in meiner ersten eigenen Wohnung und hatte es geschafft, diese in einem ansonsten wirklich formvollendeten Schreiben „zum 31. April“ zu kündigen. Der Hausbesitzer, ein Lankwitzer Blockwart mit Polyesterpulli und beigefarbener Schiebermütze, der noch dazu im Nebenhaus wohnte, hat dann extra bis zum Monatsersten gewartet, mich dann auf den Fehler aufmerksam gemacht – und mir mit süffisantem Lächeln erklärt, dass er in Ermangelung eines 31. April auch mein Schreiben als nicht existent betrachte. Meine Kündigungsfrist verlängerte sich so um einen Monat. 
Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Mit dem Mieterschutzverein. Aber nun – letztlich war es auch ein stimmiger Abschluss für ein ziemlich schräges Kapitel.
Nur ein Jahr hatte ich es dort ausgehalten und immerhin so einiges gelernt. Dass es Leute gibt, die den Rasen vor ihrem Fenster mit einer Nagelschere schneiden, zum Beispiel. Oder dass es Mietverträge gibt, in denen man zur „ortsüblichen Bepflanzung des Balkons (Geranien)“ verpflichtet wird.
Ich hatte dann neben den Geranien auch einen Basilikumtopf eingepflanzt. Im Treppenhaus sprach man hinter vorgehaltener Hand fortan nur noch über die „Kräuterhexe aus dem 3. Stock“…

Hach ja. Dabei war ich zu der Zeit eigentlich so menschenfreundlich drauf, gerade erst von einem halben Jahr auf Amrum zurückgekehrt und bester Dinge. 
Meine Amrumer Freunde – echte Insulaner, für die Föhr die große weite Welt war, weil es dort eine Ampel gab – riefen mich in den folgenden Jahren dann übrigens immer am 1. Mai an. Wenn ich ans Telefon ging, hörte ich aufgeregte Sätze wie „Ach, Gott sei Dank, Deern, bist du in Sicherheit? Brauchst du Hilfe?“, dann hatten sie im Fernsehen wieder Bilder vom 1. Mai in Kreuzberg gesehen. Das hat mich wirklich sehr gerührt. 

So, Schluss jetzt mit sentimentalen Erinnerungen.
Die Musik ist aus, nun gucke ich mal nach, wie es in der Küche aussieht. In einer pfiffigen Sekunde habe ich den Kindern nämlich erlaubt, ihre Wunschmusik volle Pulle aufzudrehen – solange sie sich währenddessen in der Küche nützlich machen.
Fröhliche Sätze wie „Darf ich den Geschirrspüler jetzt ausräumen?“ sind seither an der Tagesordnung. Ich liebe es. Und ihre ganz eigene Art, das Geschirr einzuräumen, sorgt obendrein für Abwechslung und Nervenkitzel.

Was will ich denn mehr? 

Heitere Grüße durch die verhagelte Stadt sendet Dir

Susanne

PS: Ich habe endlich eine Maske gefunden, die zu mir passt. Mehr morgen!